Ein bisschen anders zu sein, gehört quasi zum Markenkern von Mazda, weshalb die japanische Automarke die allgemeine Downsizing- und Turbo-Begeisterung im Motorenbau der vergangenen Jahre gelassen an sich vorbei ziehen ließ. Ihre Antwort auf die Zwänge von Verbrauchs- und Abgasminderung lautete „SkyActiv“. Eine Weiterentwicklung dieser Aggregate soll nächstes Jahr das erste Serienmodell antreiben und Unerhörtes können: die Vorteile von Diesel- und Ottomotor in einer Maschine vereinen.
Ganz neu ist die Idee nicht, doch vor zehn Jahren, als Mercedes Versuche mit einem Treibsatz startete, der Benzin verbrennen und durch Kompression (statt durch Zündkerze) den Arbeitstakt erreichen sollte, fanden die Ergebnisse nicht den Weg in die Serie. Ganz ohne den helfenden Funken kommt der neue Mazda-Motor zwar nicht aus, soll aber mit sehr magerem Gemisch laufen und ein erhebliches Einsparpotenzial gegenüber einem gleich großen Motor aus der aktuellen Serie haben.
Nach Ansicht von Mazdas Europa-Chef Jeff Guyton ist den japanischen Ingenieuren damit der „beste Verbrennungsmotor der Welt“ gelungen, und auch wenn ein unabhängiges Urteil zu einem bescheideneren Ergebnis kommen sollte, so verliefen die ersten Ausfahrten mit einem Prototypen auf der Basis des Mazda 3 dennoch recht vielversprechend. Guyton tut sich zwar schwer mit einer Bestätigung, dass die Serienversion des neuen Motors zuerst im Nachfolger des 3er-Modells angeboten wird, doch der Kompaktklässler gilt als heißer Anwärter darauf.
Sechs Prototypen hat Mazda im deutschen Entwicklungszentrum nahe Frankfurt zusammenschrauben lassen. Die mattschwarzen Vehikel wurden per Einzelabnahme durch das Landratsamt Bad Homburg für den öffentlichen Verkehr zugelassen. Die Motoren haben jeweils 1997 Kubikzentimeter Hubraum und leisten um die 170 PS. Für die Serienreife sind 140 kW / 190 PS und 230 Newtonmeter Drehmoment vorgesehen. Das bestgehütete Geheimnis ist derzeit, welche Verbrauchswerte die Vorserienautos auf ihren Testrunden in der portugiesischen Provinz schaffen. Laut Jeff Guyton werden gegenwärtig Ergebnisse zwischen 15 und 20 Prozent unterhalb des offiziellen Mazda-3-Werts erzielt. Der liegt bei der Version mit 121 kW / 165 PS bei 5,8 Litern je 100 Kilometer. Im Endausbau hält Guyton sogar 30 Prozent für möglich.
Wie wenig die Daten aus dem bislang geltenden europäischen Verbrauchstest mit der Realität zu tun haben, ist hinlänglich bekannt. Jeff Guyton scheut sich nicht, den Prüfzyklus als „lächerlich“ zu geißeln und weist darauf hin, dass zum Beispiel das in den USA angewendete Test- und Zulassungsverfahren höhere Werte auswirft, die dafür aber näher an den tatsächlichen Alltagsverbräuchen der Kunden sind als dem gleichen Fahrzeug in Europa zugeschrieben werden. Das Dilemma der unterschiedlichen Bewertungen wird auch der neue WLTP-Modus nicht beheben, der nach einer Übergangsphase in Europa gelten soll.
Die Prototypen aus dem Hessischen dienen nicht nur als Versuchsträger für den neuen Vierzylindermotor. Sie sollen auch Chassis-Veränderungen erlebbar machen, mit denen Mazda seinen nächsten Kompakten auf ein neues Komfortlevel hieven will. Veränderte Fahrwerkskomponenten und neue Fertigungstechniken an der Karosserie sollen Abrollgeräusche mindern, umleiten und ihre Übertragung in den Innenraum verhindern. Der Fortschrittswille erfasst alle denkbaren Bauteile: Reifen mit weicheren Flanken werden verbesserte Federungseigenschaften zugeschrieben.
Obwohl im Innern des Labor-Dreiers eine freundliche Werkstatt-Atmosphäre herrscht, ist das Interieur unzweifelhaft als Mazda-Cockpit zu erkennen. Dort, wo sonst die Lamellen der Klima-Ausströmer sitzen, ragen Plastikschläuche aus der Mittelkonsole. Geheimnisvolle Kästchen mit Verkabelung lassen Leuchtdioden blinken und auf einem improvisierten Träger veranschaulicht ein senkrecht installierter Tablet-Computer die wichtigste Eigenschaft des neuen Motors: Die Fähigkeit, ein Kraftstoff-Luft-Gemisch sowohl durch Funken als auch durch bloße Verdichtung zur Explosion zu bringen.
Die mechanischen, physikalischen und thermischen Vorgänge, die von den Mazda-Ingenieuren beherrscht werden wollen, sind vielfältig. Faktoren wie Luftanteil im Gemisch, seine Verteilung im Zylinder, Kompressionsgrad und Zündzeitpunkt sind in Balance miteinander zu bringen. Die Verbrennung muss ebenso schlagartig wie vollständig erfolgen, gleichzeitig sind niedrige Temperaturen erwünscht. Das gefürchtete „Klopfen“, das durch verfrühte und unkontrollierte Verbrennung entsteht, ist ebenso zu vermeiden wie eine Überfettung des Gemischs, was die angestrebte Verbrauchsminderung konterkarieren würde.
Und all das muss, wenn der Fahrer nur ein wenig Gas gibt, mindestens 35-mal in der Sekunde präzise und zuverlässig ablaufen. Vollgasfest muss der Motor natürlich auch sein, dann wiederholen sich die Takte bis zu 90 Mal jede Sekunde. Was die Mazda-Entwickler gar nicht an die große Glocke hängen wollen, ist die mechanische Aufladung des Motors. Bisher kamen ihre Benzinmotoren ohne Zusatzluft aus, jetzt hilft ein Kompressor. Allerdings, so wird betont, dient er nicht zur Leistungssteigerung, sondern um genügend Luft herbei zu schaufeln, damit das Gemisch die gewünschte „magere“ Mixtur erreicht.
Sowohl der Prototyp mit automatischem Getriebe als auch sein Pendant mit Handschaltung zeichneten sich durch kultivierten und ruhigen Lauf aus. Kurze Ausflüge in Regionen zwischen 4000 und 5000 U/min schienen ihnen keine besondere Mühe aufzuerlegen, allgemein wurde die Geräuschentwicklung als gemindert und komfortabel wahrgenommen. Trotz der technischen Nähe zu handelsüblichen Dieselmotoren ist eine Eigenschaft nicht feststellbar, die seit Menschengedenken zum Betrieb dieser Maschinengattung gehört: Ein Nageln oder artverwandte akustische Phänomene sind nicht zu protokollieren. Und das, obgleich die Verdichtung mit 16:1 so hoch ist, wie bei handelsüblichen Dieselmotoren.
Der direkte Vergleich mit dem Mazda 3 aus der aktuellen Serie bestätigte dies. Allerdings offenbarte die Testfahrt auch die Stellschrauben, an denen die Mazda-Ingenieure künftig noch drehen werden. Bei der spontanen Gasannahme und dem zügigen Umsetzen in Vortrieb hat der Seriendreier derzeit noch die Nase vorn. Sein Gesamteindruck ist agiler und reifer, ein zupackenderes Wesen sollte dem neuen Treibsatz noch anerzogen werden.
Wie der nächste Mazda 3 sich fahren wird, kann man also schon ahnen. Wie er aussehen wird, ebenfalls. Die auf der Tokyo Motor Show gezeigte Studie KAI Concept gibt einen Ausblick. Und Designer Kevin Rice verspricht: „Das Serienmodell wird viele Merkmale des Showcars aufweisen. Lassen Sie sich überraschen!“ ampnet/afb
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